Scherben können unser Leben oftmals sogar verschönern. Kintsugi ist eine alte japanische Kunst, um zerbrochene Keramik zu reparieren. Dabei werden die Bruchstellen nicht vertuscht, sondern betont, in dem man sie vergoldet – und in ihrer ganzen Schönheit inszeniert. Und somit zu einem neuen einmaligen Kunstwerk zusammenfügt.
Wenn etwas zu Bruch gegangen ist, vielleicht eine Beziehung, Pläne oder Träume. So werden wir an unseren Niederlagen und Verletzungen wachsen. Hier führt uns die Kunsttherapeutin in das Handwerk des Kintsugi ein, das wie eine Meditation wirken kann. Versuchen wir es doch, vielleicht mit Omas wertvoller Vase oder Tasse, von der uns leider nur noch die Scherben blieben.
Die Technik des Kintsugi: Schritt für Schritt heilen
Akzeptieren: Fassen Sie sich, sammeln Sie die Scherben auf.
Beschließen: Beschließen Sie, dem zerbrochenen Gegenstand eine zweite Chance und ein zweites Leben zu geben, statt ihn zu entsorgen.
Auswählen: Informieren Sie sich über mögliche Reparaturmethoden, und wählen Sie die aus, die Ihnen am meisten zusagt: illusionistisch ohne Reparaturspuren, etwas brachial mit Metalklammern oder aber eine Wiederherstellung mit den Goldnarben des Kintsugi?
Umdenken: Lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf, und schlagen Sie neue Wege ein!
Visualisieren: Stellen Sie sich vor, wie der reparierte Gegenstand am Ende neu erstrahlen wird.
Puzzeln: Betrachten Sie die Bruchstücke, und überlegen Sie, wie die Teile zusammenpassen, um so die Reparatur vorzubereiten.
Zusammensetzen: Der Klebstoff Mugi Urushi wird aus Mehl und Harzlack zusammengerührt und dann mit einem Spatel auf beiden Seiten der Bruchstelle aufgetragen. Fügen Sie alle Teile zusammen, bis der Gegenstand wiederhergestellt ist.
Füllen: Falls eine Scherbe fehlt, lässt sich mit einer Paste aus Lack (Urushi) und Tonerde (Tonoko) ein Ersatzstück (Sabi Urushi) formen. Gehen Sie sorgfältig und geduldig vor.
Einbinden: Wenn Ihnen das Einbinden von Zwischenstücken gefällt, können Sie auch eine Scherbe von einem anderen Gegenstand als Ersatz verwenden. Wie beim Veredeln (Pfropfen) eines Bonsaibaums spricht man hier von Yobi Tsugi.
Atmen: Der Harzlack (Urushi) muss beim Aushärten atmen. Dazu benötigen Sie einen geschlossenen Karton (Muro), in den Sie unten ein Handtuch legen. Den geklebten Gegenstand stellen Sie auf Stäben darüber, sodass er wie auf einem Gitter ruht.
Ruhen: Am besten härtet der Lack bei einer Luftfeuchtigkeit von 75 bis 90 Prozent und einer Temperatur von knapp über 20 Grad Celsius. Sorgen Sie also für ausreichend Wärme und Feuchtigkeit in Ihrem Muro.
Reinigen: Reinigen Sie nach jedem Schritt Ihr Werkzeug (Spatel, Schälchen, Pinzette und so weiter) mit Terpentinersatz oder pflanzlichem Öl, und räumen Sie das Material bis zum nächsten Gebrauch ordentlich weg.
Warten: Nun heißt es Geduld haben, bis das Gefäß innerhalb von ein bis zwei Wochen in der Schachtel gehärtet ist. Sämtliches benötigtes Material finden Sie mühelos im Internet, und zwar einzeln oder als gebrauchsfertiges Set. Je nach gewünschtem Perfektionsgrad und Budget können Sie entweder der traditionellen Methode folgen, indem Sie echten Japanlack (Urushi) und 22-karätigen Goldstaub für den Lebensmittelgebrauch verwenden. Oder aber Sie lassen sich nur von der Vorgehensweise inspirieren und greifen auf Epoxidkleber und Goldlack oder Perlmuttpulver zurück.
Céline Santini ist eine französische Autorin und Coach für persönliche Entwicklung und Kunsttherapie. Auf ihrem Blog jour-apres-jour.com schreibt sie zu Themen wie Resilienz, Glück und Beziehungen. Im Kailash-Verlag ist ihr Buch „Kintsugi. Wie uns Bruchstellen im Leben stark machen. Der japanische Weg zur Resilienz“ erschienen.