Was können wir wirklich wissen? Welche Narrative, Erfahrungen, Glaubenssätze sind zur Wahrheit geworden? Und wie finden wir zu wahrem inneren Wissen, Herzenswissen, Weisheit? Unser Zeitalter baut auf die Kräfte des Verstandes und des logischen Denkens – Gefühle, Emotionen, intuitive Eingebungen gelten als weniger wichtig.
Was aber wären wir ohne diese Eigenschaften, die uns mit höheren Ebenen des Seins, aber auch mit unserer innerwohnenden Weisheit verbinden? Immer wieder hört man von Wissenschaftlern, die ihre größten Einfälle nicht während intensiver Recherche und Forschung bekamen, sondern zwischendrin, beim Spazierengehen, unter der Dusche, ja, in Träumen. Im Fake-News Zeitalter und dem Glauben an die segensreiche Führung der Wissenschaft sind wir oft unbemerkt in viele Glaubessätzen hineingeschlittert, die nun zum Allgemeingut geworden zu sein scheinen.
Es gibt nur Materie. Daraus entsteht Geist, Bewusstsein, Liebe. Krankheiten können nur auf dieser materiellen Ebene „bekämpft“ werden. Eine schöne Übung ist es, sich zwischendurch herauszunehmen und sich zu fragen: Was kann ich wirklich wissen? Was ist für mich wahr? Manche Weisheitslehrer sagen, da gibt es nur die eine Gewissheit: Die des „Ich bin“. Das fühlen und erleben wir zweifelsfrei, alles andere kommt und geht, mit den Strömungen der Weltanschauungen und der eigenen Prägung durch Eltern, Schule, Gesellschaft.
Rein spirituell ist das eine schöne Übung: Sich hin und wieder ganz in dieses „Ich bin“ hineinzuversetzen und die innere Kraft zu fühlen, die daraus wie ein Licht erstrahlt. Dann entspannt sich alles, dann können wir uns darin entspannen und erkennen, dass wir in dieser Gewissheit Ruhe und Heimat finden können.
Dann fällt es uns leichter zu erkennen, dass das Weltgeschehen ein sehr komplexes ist, dass es keine einfachen Antworten auf die großen Fragen gibt, eher neue Fragen hinzukommen. Und dass wir fühlen können. Unser Sein. Und die Wahrheit, die wir im Gefühl deutlich wahrnehmen können, UNSERE Wahrheit, keine allgemeingültige.
Gerade in heutigen Zeiten wird deutlich, in welch unterschiedlichen Wahrheitswelten, Narrativen, Weltbildern die Menschen zuhause sind oder sein wollen. Die Kunst für uns spirituelle Menschen ist es nun, offen zu bleiben, immer wieder Toleranz und Verständnis zu üben. Denn in der Tat: Der Verstand kann die unmöglichsten Geschichten wunderbar begründen. Ich kenne Leute, die beeindruckend stimmig erklären können, warum die Erde flach ist. Unglaublich, aber in deren Wahrheitsblase absolut stimmig.
Was können wir nun tun? Müssen wir zu allem eine Haltung entwickeln? Dürfen wir nicht öfter mal sagen: Ich weiß es nicht. Ich muss es mir noch anschauen.
Der Moderator und Philosoph Gert Scobel äußerte mal eine für mich sehr stimmige Definition für Weisheit: Die Fähigkeit, mit der Komplexität in der Welt und letztlich auch im eigenen Leben umzugehen. Zu erkennen: Ja, es gibt viele Sichtweisen, ich habe meine gefühlte Wahrheit, bin aber offen für das Wunder neuer Erkenntnisse, denn die Seele lernt stetig dazu.
Erfahrenes Herzenswissen ist auch etwas ganz Anderes als erworbenes Wissen. Ich habe sicher um die 8000 Bücher gelesen – und doch hänge ich, genau wie alle anderen auch, immer mal wieder hilflos in seelischen Themen, an denen sich mein ganzes Sein abarbeitet, weil es da jetzt etwas zu lernen, zu verstehen gibt. Da kann ich noch so viele Bücher darüber lesen – sie können mich zwar inspirieren und vielleicht helfen, die Erfahrung besser einzuordnen, aber die eigentliche Erkenntnis ist jenseits von verstandesmäßigem Greifen, es ist eher ein mit dem ganzen Wesen etwas zu erfassen und dadurch eine Wesensveränderung im Bewusstsein, ja, im Leben zu verwirklichen.
Das ist das Mysterium des Bewusstseinsweges, der nicht immer greifbar ist – und doch wissen wir ganz genau, wenn wir durch eine tiefe Erfahrung, ja, Krise, hindurchgegangen sind, dass wir nun auf einer anderen Stufe stehen, dass sich in uns etwas erweitert hat, was wir manchmal gar nicht in Worte fassen können.
Lasst uns also das Wunder des Lebens, des Menschseins würdigen als einen ureigenen Bewusstseinsweg, den uns niemand abnehmen kann, der viel mehr ist als definierbares Wissen.
Denken. Fühlen. Annehmen. Lieben. Atmen. Zulassen. Loslassen. So viel mehr, als mit Worten gesagt werden kann.
Thomas Schmelzer beschäftigt sich seit 20 Jahren in TV, web, Print und live mit bewusstseinsfördernden Themen. Er leitet das Onlinemagazin MYSTICA.TV, arbeitet als Redakteur und moderierte rund 30 Kongresse. Er interviewte er mehr als 800 Persönlichkeiten der Szene, ist Regisseur der erfolgreichen Dokumentationen „Die Übersinnlichen“ und „Wiedergeburt“ und Autor des Buches „Die Stille in mir“.
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