Wie Meditation und Entspannungsübungen gegen Schmerzen helfen.
Begegne deinem Schmerz mit Respekt!
Schmerz quält uns auf vielfache Weise. Oft ist er für sich genommen schon unerträglich. Aber er schränkt auch unsere Freiheit ein, beansprucht unsere ganze Aufmerksamkeit und unser Denken. Schmerz lacht nicht, Schmerz weint.
Und deshalb nimmt uns der Schmerz die Lebensfreude und verdunkelt das Licht in unseren Herzen. Er schwächt die Kraft unserer Seele und nicht selten überlässt uns Schmerz nur noch der Resignation und Verzweiflung. Natürlich gibt es Medikamente gegen den Schmerz. Manchmal helfen sie, manchmal nicht.
Hilft Spiritualität gegen Schmerz? Kann man Schmerzen einfach loslassen?
Können Entspannungsübungen und Meditation von Schmerzen befreien? Was kann die Heilkraft unserer Seele gegen Schmerz bewirken? Antworten finden Sie hier.
Von Abbas Schirmohammadi & Philipp Feichtinger
Allein in Deutschland leiden über 15 Millionen Menschen an chronischen, also ständigen oder immer wiederkehrenden Schmerzen. Viele von ihnen gelten schulmedizinisch als austherapiert. Die häufigste Ursache chronischer Schmerzen sind Erkrankungen des Bewegungsapparates (16 %). Vor allem sind es Rückenschmerzen (ca. 10 % der Gesamtbevölkerung), die hier zu Buche schlagen. Schmerzen haben nicht nur negative Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit des Betroffenen –
50 % geben an, dass ihr chronischer Schmerz ihren Beschäftigungsstatus schwächt, 20 % sind arbeitsunfähig geworden – sondern auch auf die Beziehung und das Privatleben – 40 % fühlen sich im Zusammenleben mit Familie und Freunden eingeschränkt, 25 % erleben sich gesellschaftlich isoliert.
Was genau ist Schmerz?
Schmerz ist laut Weltschmerzorganisation IASP (International Association for the Study of Pain) ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit einer tatsächlichen oder drohenden Gewebeschädigung verknüpft ist. Schmerzen haben ihren Ursprung in den Nozirezeptoren des Peripheren Nervensystems. Die weitere Verarbeitung und Bewertung dieser Sinneswahrnehmung geschieht im Zentralen Nervensystem. Die schnellen A-Delta- und die langsamen C-Fasern sind die für die Schmerzweiterleitung zuständigen Bahnen. Da im Rückenmark Reflexverschaltungen ausgelöst werden, ist der Schmerz anfangs noch nicht bewusst. Die Schmerzinformationen gelangen gleichzeitig über den Vorderseitenstrang jedoch auch ins Gehirn.
Im Kortex wird der Schmerz bewusst und durch das Limbische System mit Emotionen behaftet. Die schmerzverarbeitenden Hirnareale, zu denen u. a. der Präfrontale Kortex und der Thalamus gehören, bezeichnet man gesammelt als Schmerzmatrix. Eine Regulierung der Schmerzintensität wird in höheren Hirnarealen mittels deszendierenden antinozizeptiven Bahnen erreicht. Schmerzen können als Schmerzsyndrom ein komplettes Krankheitsbild darstellen oder lediglich ein einzelnes Symptom abbilden. Die aktuelle Schmerzforschung sieht für eine optimale Behandlung sowohl die Dauer, die Stärke als auch die Art des Schmerzes als bedeutsam an.
Schmerzen entstehen nicht nur körperlich
Oft sind Schmerzen das Ergebnis eines Unfalls, man fällt hin oder stößt sich. Aber auch psychisches Leid kann körperlichen Schmerz erzeugen oder verstärken. Die psychische Ebene wird von vielen Menschen hierbei aber vernachlässigt. Der Doktor wird es schon richten, ist ihr Leitsatz. Schmerz entsteht auch durch Abneigung gegen etwas oder als Folge starker negativer Gedanken. Es ist ein komplexes System, das ebenso komplex betrachtet und behandelt werden sollte. Schließlich landen wir auf der spirituellen Ebene. Über diese können wir Schmerz als ein Warnsignal oder einen Hinweis deuten, dass etwas nicht stimmt und verändert werden sollte. Wer auf sich, seinen Körper und seine Intuition hört, ist in der Lage, Schmerzen sogar wegbeamen zu können, wenn er über entsprechendes Wissen und bewährte Tools verfügt.
Meditation gegen Schmerzen
Wir möchten an dieser Stelle betonen, dass der hier vorgestellte Weg nicht den Gang zum Arzt oder Heilpraktiker bzw. die Einnahme von Medikamenten ersetzt. Insbesondere akute und unerklärliche Schmerzsymptome sollten immer therapeutisch abgeklärt werden. Ergänzend kann selbstverständlich auf Meditationen zurückgegriffen werden. Dass dies Sinn macht, zeigt eine Reihe an Studien, die in den letzten Jahren immer spezifischer den Zusammenhang zwischen Meditation und Schmerzlinderung beleuchten. Eine solche im „Journal of Neurosience“ der Wake Forest University North Carolina weist positive Veränderungen von Gehirnvorgängen durch den Einsatz von Meditation bei Schmerzen auf. Dazu wurden Probanden in die Methodik von Meditationen eingeweiht, sie erhielten in wenigen Sekunden Schmerzreize, gleichzeitig wurde die Hirnaktivität über eine Kernspintomografie gemessen. Ergebnis: Im ersten Durchgang ohne Meditation war die Schmerzeinschätzung weitaus höher als im meditativen Durchgang. Außerdem war dieser Unterschied deutlich an der Auswertung der Hirnaktivität zu sehen.
Zu ähnlichen Erkenntnissen kam Tim Gard vom Massachusetts General Hospital in Boston, der die Probanden anwies, den elektrischen Schmerzimpulsen einmal mit Achtsamkeit, dann mit alltäglicher Haltung zu begegnen. Auch hier wurden die Hirnvorgänge über Kernspin beobachtet. Ergebnis: In der achtsamen Meditation wurden die Schmerzimpulse anders bewertet und die Hirnareale für die sensorische Reizverarbeitung waren stärker aktiv. Der Schmerz war also nicht weg, aber durch die veränderte Bewertung konnte der Leidensdruck deutlich reduziert werden.
Nicht umsonst greift auch die Schmerzmedizin auf Methoden und Kenntnisse der Hypnose und der Meditation zurück. Vertiefen sich bestimmte Frequenzbänder unseres Gehirns, verändern sich auch die aktiven Areale und der Schmerz rückt in seiner Bedeutung in einen anderen Fokus. Lernen Schmerzpatienten durch auf Achtsamkeit basierende Meditationen körperlich und geistig zu entspannen, kann sich nicht nur die Schmerzwahrnehmung verändern. Auch schmerzhemmende Mechanismen verringern sich und die Konzentration verschiebt sich zunehmend vom eigentlichen Schmerz zum „Leben um den Schmerz herum“.
Eine Entspannungsübung gegen Schmerzen
Hier empfehlen wir dir folgende Version der Progressiven Muskelentspannung: Setze dich auf einen bequemen Stuhl. Lehne deinen Rücken an und stelle beide Füße fest auf den Boden. Schließe deine Augen und lege die Hände locker auf deine Oberschenkel. Atme ruhig ein und aus, und beobachte, wie sich deine Bauchdecke beim Einatmen hebt und beim Ausatmen senkt. Balle nun deine rechte Hand zur Faust, bis du die Muskeln deutlich spürst. Atme auch beim Anspannen ruhig weiter, ohne zu verkrampfen. Halte die Anspannung 10 Sekunden lang. Löse mit der Ausatmung die Spannung und öffne deine Faust. Lasse die rechte Hand und den Arm 30 Sekunden lang ruhig und entspannt auf dem Oberschenkel liegen. Werde dir bewusst, wie unterschiedlich sich dein rechter Arm vorher in Anspannung und jetzt in Entspannung anfühlt.
Wende dich nun deinem linken Arm zu. Balle deine linke Hand zur Faust, bis du die Muskeln deutlich spürst. Atme beim Anspannen ruhig weiter. Halte die Anspannung 10 Sekunden lang. Löse mit der Ausatmung die Spannung und öffne deine Faust. Lasse deine linke Hand und den Arm 30 Sekunden lang ruhig und entspannt auf dem Oberschenkel liegen. Werde dir bewusst, wie unterschiedlich sich dein linker Arm vorher in Anspannung und jetzt in Entspannung anfühlt. Kralle nun deine rechten Zehen ein, bis du die Muskeln in deinem rechten Fuß und Bein deutlich spürst. Atme auch beim Anspannen ruhig weiter, ohne zu verkrampfen. Halte die Anspannung 10 Sekunden lang. Löse mit der Ausatmung die Spannung und öffne deine Zehen. Lasse deinen rechten Fuß und das Bein 30 Sekunden lang ruhig und entspannt stehen. Werde dir bewusst, wie unterschiedlich sich dein rechtes Bein vorher in Anspannung und jetzt in Entspannung anfühlt. Wende dich nun deinem linken Fuß zu.
Kralle deine linken Zehen ein, bis du die Muskeln in deinem linken Fuß und Bein deutlich spürst. Atme beim Anspannen ruhig weiter. Halte die Anspannung 10 Sekunden lang. Löse mit der Ausatmung die Spannung und öffne deine Zehen. Lasse deinen linken Fuß und das Bein 30 Sekunden lang ruhig und entspannt stehen. Werde dir bewusst, wie unterschiedlich sich dein linkes Bein vorher in Anspannung und jetzt in Entspannung anfühlt. Bleibe noch kurz sitzen und spüre etwas nach.
Unsere Vorstellungskraft ist unendlich stark
Begegnen wir Schmerz mit Offenheit, Annahme, Respekt und Verständnis, können wir ihn viel besser positiv beeinflussen als mit Hass, Wut, Zorn und düsteren Gedanken. Stelle eine Verbindung zu deinem Körper her und höre in die Schmerzstelle hinein. Wo tut es genau weh? Wie fühlt sich der Schmerz an? Verstärkt er sich in bestimmten Situationen? Was belastet dich aktuell im Leben? Gibt es wichtige Entscheidungen zu treffen? Fühlst du dich wohl in deiner Haut? All diese Fragen können dir dabei helfen, mehr Klarheit über den Schmerz, seine Ursache und seine Lösung zu erhalten.
Die Suggestion ist eines der ältesten Heilmittel der Medizin. So findet sich in einem ägyptischen Papyrus aus dem 16. Jahrhundert v. Chr. ein Bericht über suggestive Behandlungsmaßnahmen: „Lege die Hände auf ihn, um den Schmerz der Arme zu beruhigen, und sage, dass der Schmerz verschwinden wird.“ Der Erste, der die Hypnose als Suggestivverfahren der Neuzeit wissenschaftlich bearbeitete, war der Chirurg James Braid, 1843: Er erkannte die physiologischen und psychischen Voraussetzungen des schlafähnlichen Zustandes, prägte den Namen „Hypnose“ und setzte Hypnotisierung als medizinisches Behandlungsverfahren ein. Ende des 19. Jahrhunderts beschäftigte sich der Hirnforscher Oskar Vogt mit der Selbsthypnose: Er wandte diese als prophylaktische Ruhepause an, mit der Patienten wachsenden Erregungs-, Anspannungs- und Schmerzsituationen begegneten.
1926 bis 1932 entwickelte der deutsche Arzt Dr. Johannes Heinrich Schultz das Autogene Training. Er kreierte damit eine einzigartige Entspannungs- und Ruhetechnik, auf die viele Therapeuten zurückgreifen, um Stress und psychosomatische Störungen ihrer Klienten zu behandeln. Zudem ist das Autogene Training die beliebteste Entspannungsmethode der Deutschen, die diese selbstständig anwenden können, auch präventiv. Über die Kraft der Vorstellung können Körper, Geist und Seele positiv beeinflusst, Schmerzen so gelindert werden.
Abbas Schirmohammadi