Der Mensch in unserer Welt ist nie alleine, aber er fühlt sich einsam, ungeliebt, nicht beachtet, nicht verstanden. Wenn Sie die Einsamkeit googeln, werden Sie von 10 Millionen Einträgen überflutet – vom schnellen „Date in Ihrer Nähe“ bis zu den Indianern am Amazonas, die kein Wort für Einsamkeit in ihrem Sprachschatz haben.
„Die Welt ist unser Spiegel“
Natürlich kennst du diesen Spruch, der mehr ist als das. Und doch, wie gerne vergessen wir, dass wir Tag um Tag in den Spiegel sehen, bei jeder Begegnung, bei jeder Beurteilung. So wähnte auch ich mich lange Zeit in Sicherheit, als ich in anderen Menschen ihre unglaublich tiefe Einsamkeit sehen und auch fühlen konnte, ich aber glaubte (hoffte?), dies hätte mit mir nichts zu tun. Doch Einsamkeit wohnt in jedem Menschen, der seinen Weg nach Hause in die Einheit noch nicht gefunden hat. Es dauerte lange, bis ich meine innere Einsamkeit zulassen konnte. Dann traf sie mich mit voller Wucht. Wer sich schon einmal einsam gefühlt hat, der weiß, welchen Schmerz ich meine. Vielleicht hältst du gerade das ENGELmagazin in deiner Hand und nickst. Vielleicht liest du das hier ja gerade, um dich von deiner Einsamkeit abzulenken. Oder aber du bist sehr traurig, weil du dich einsam fühlst und hoffst, hier Trost zu finden.
Glaub mir: Du bist nicht allein!
Schon die Tatsache, dass du diese Zeilen liest, während ich beim Schreiben an dich denke, beweist, dass du es nicht bist. Die Tatsache, dass Singlebörsen ein Riesengeschäft sind, beweist, dass du mit diesem Empfinden alles andere als alleine bist. Die anderen verstecken es einfach oft nur, sei es bewusst oder unbewusst. Was meine Einsamkeit angeht, so habe ich sie Jahrzehnte unter einem emsigen Beschäftigtsein zugedeckt, das Teil einer Rolle war. Und auch damit bin bzw. war ich nicht alleine. Denn schauen wir uns doch unsere westliche Welt einmal an: Burn-out ist heute bekannter als die Masern! Es ist nicht die Menge an Arbeit, die uns zu schaffen macht. Es ist die Tatsache, dass wir unsere Lebenszeit an Geld, an Tätigkeiten verkaufen, die nicht unserem Naturell entsprechen. Wir übersehen, dass wir uns jeden Tag selbst vergewaltigen, indem wir uns zwingen, Dinge zu tun, die wir in Wahrheit nicht tun wollen, die wir nie tun würden (wenn Geld kein Thema wäre). Und was ist die erste Antwort des Egos? „Das ist ja schön und gut, aber ich kann in meiner Situation nun mal nicht anders.“ Erstaunlicherweise können die Allermeisten plötzlich anders, wenn das Leben sie dazu zwingt, auf welche Art auch immer. Unser Beschäftigtsein jedenfalls nutzen wir geschickt aus, um uns nicht spüren zu müssen.
Wer sich mit seiner Seele eingehend beschäftigt, wird erkennen, welche Rolle verborgene Schuldgefühle spielen und wie voll wir davon sind. So kann es sein, dass wir uns in die Rolle eines einsamen Menschen hineingelenkt haben, über Jahre hinweg, Schritt für Schritt, weil wir uns mit diesem Gefängnis bestrafen wollen. Weil wir denken, wir seien eine Zumutung für andere Menschen. Weil wir glauben, wir hätten es nicht verdient, rundherum glücklich und angenommen zu sein. Ja, es mag absurd klingen für dich, wenn du dich jetzt gerade einsam fühlst. „Das will ich ganz sicher nicht!“, sagst du? Und weigerst dich, darüber nachzudenken, welche Entscheidungen in deinem Leben dich genau in diese Situation hineingeführt haben, weil du dann erkennen müsstest, dass es nicht das Leben selbst ist, das dich gemeinerweise bestraft. Du würdest bei genauem Hinsehen erkennen, dass Gott dich nicht vergessen hat, sondern dass du dich nicht mit deinem Weg zu Gott nach Hause beschäftigen willst. Stattdessen lenkst du dich lieber mit Fernsehen ab. Oder mit Arbeit. Oder mit Drama. Alles keine so angenehmen Erkenntnisse. Und doch: Nichts schmerzt mehr als die (Selbst)Lüge, nichts ist so heilsam wie (Selbst)Erkenntnisse!
Einsamkeit hat nicht zwingend mit Alleinsein zu tun
Einsamkeit ist nichts, was nur Menschen beträfe, die physisch alleine sind. Du kannst auch im Kreis deiner Familie sitzen und furchtbar einsam sein. Die sogenannten „schwarzen Schafe“ wissen sicherlich, wie sich das anfühlt. Dabei es gibt die Menschen, die das Alleinsein, die Einsamkeit selbstbestimmt wählen. Sie ziehen sich zurück, vielleicht in eine Blockhütte in Kanada, und fühlen sich überaus wohl, kein bisschen einsam, obwohl die nächsten Menschen hundert Kilometer entfernt leben. Was hat es also mit diesem Phänomen der quälenden Einsamkeit auf sich? Für mich geht es letztlich um die Illusion, getrennt von allem zu sein, allem voran vom Göttlichen. Der biblische Sündenfall ist für mich das Sinnbild unserer Trennung von der Einheit, von allem, was ist. Wir unterliegen in unserem Wachtraum hier auf der Erde eben beispielsweise der Idee, wir wären furchtbar alleine und niemand würde uns lieben. Was letztlich nichts anderes darstellt als die Angst vor dem Tod. „Niemand interessiert sich für mich!“, ruft unser Ego dann laut. „Ich bin ganz alleine auf dieser Welt!“ ist auch ein Klassiker der Sätze in unseren Köpfen, die dann großen Schmerz auslösen.
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