Glennyce Eckersley: Engel des Morgens

Ich las vor kurzem eine Zeitschrift, in der ein Persönlichkeitstest war. Unter anderem ging es darum herauszufinden, ob man ein fröhlicher oder eher ein unfröhlicher Typ sei. Und dann stand zu lesen, dass „Frühaufsteher“ ein gutes Stück fröhlicher und optimistischer seien als „Nachtgeister“. Dabei ist es doch nicht immer einfach, am Morgen munter und frohgelaunt zu sein. Der Tag wartet mit all seinen Aufgaben: Frühstück zubereiten, Kinder zur Schule bringen, pünktlich im Büro sein und sofort. Wie auch immer, es ist tatsächlich so, dass, wenn wir uns nur für einen kurzen Moment mit unserem inneren Engel verbinden, der Tag dann viel besser sein wird. „Aber wie mache ich das?“ höre ich Sie sagen. Nun, es ist leichter als Sie denken.

Öffnen Sie Ihr Schlafzimmerfenster, stecken Sie Ihren Kopf hinaus und schauen Sie die Welt da draußen an. Da wird etwas sein, gleichgültig wie alltäglich oder unscheinbar es auch sein mag, für das Sie Ihren Engeln danken sollten. Eine Rose in voller Blüte, Wolken am blauen Himmel, das Zwitschern eines Vogels, vielleicht haben Sie in diesem Moment eine Idee, vielleicht erfüllt Sie auch schon ein wenig Vorfreude auf ein Ereignis, das Sie an diesem Tag erwartet. Das alles mag Ihnen wenig   bedeutungsvoll scheinen und ist doch so großartig!  Wenn Sie einen ruhigen Raum haben, dann versuchen Sie für drei bis vier Minuten die Augen zu schließen und meditieren Sie in dem Bewusstsein, dass Ihr Engel den ganzen Tag bei Ihnen sein wird. Öffnen Sie sich für diese Vorstellung. Ihre Zweifel und Ängste werden sich auflösen und Sie werden erstaunt sein, wie wundervoll Ihr Tag sein kann. Der Autor Murray Steinman sagt „die Kommunikation mit den Engeln beginnt, sobald man erkennt, dass sie hier sind. Man hat nur zu fragen und sie werden antworten.“  Wenn Sie glauben, für eine Meditation keine Zeit zu finden, dann legen Sie sich einen Stapel Engelkarten griffbereit zurecht und wählen Sie eine Karte, bevor Sie das Haus verlassen. Die Botschaft wird sie überraschen und Ihnen eine große Hilfe für den Tag sein.
Denken wir an die Worte der wundervollen Poetin Emily Dickinson:
Manch Engel ward erblickt im frischen Morgentau, fliegend, lächelnd, gebeugt pflückend, die Knospen, die ihnen anvertraut.
In dieser Zeit des Jahres sind die Morgenstunden meistens am schönsten. Alles ist im Aufbruch, im Wachsen und im Blühen. Die gesamte Natur scheint für unser Glück zu singen. Dieses Glück spüren Sie bei einem von den Engeln begleiteten Morgenspaziergang. Dieses Glück ist belebend und heilend. Nehmen Sie sich die Zeit für ein solches Erlebnis. Ja, es lohnt sich jetzt, dafür ein bißchen früher aufzustehen.
Ich habe eine Nachbarin, die vor einigen Jahren durch den schwärzesten Tag Ihres Lebens ging. Ihre Eltern starben beide innerhalb weniger Wochen. War das schon schlimm genug, starb einige Monate später ihr geliebter Ehemann, kurz darauf auch ihre Zwillingsschwester nach einer Operation. Das war alles zuviel für sie. Die Arme war zutiefst verzweifelt. Ihr Kummer war unermesslich, selbst ihre besten Freunde schafften es nicht, diesen Kummer zu mildern. Ihr einziger Trost war ihr Hund, ein wunderschöner Golden Retriever. Sie hatte ihm den Namen „Holly“ gegeben, weil sie ihn an einem Weihnachtsabend geschenkt bekam. Die erste Woche nach der Beerdigung ihrer Schwester, verbrachte meine Nachbarin jeden Tag im Bett, unfähig der Welt zu begegnen. An einem Morgen winselte Holly so mitleiderregend, dass meine Nachbarin aus dem Bett stieg, duschte und mit Holly über die Felder hinweg einen langen Morgenspaziergang unternahm. Es lag leichter Nebel über der Winterlandschaft, doch immer mehr durchdrang eine strahlende Sonne die Dunstschleier. Diese Sonne, die den Tag mehr und mehr aufhellte, war das Zeichen der Engel. Und meine Nachbarin nahm dieses Zeichen dankbar an. Sie erzählte mir, dass sie an diesem frühen Morgen, Holly an ihrer Seite, zum ersten Mal ein großes Stück ihrer tiefen Trauer losließ. Es wurde ihr klar, dass sie irgendwie durch diese entsetzliche Zeit durch musste. Sie musste, so wie die Sonne den Nebel durchdrang, die Düsternis ihrer Trauer durchdringen. Jeden Morgen danach ging sie sehr früh mit Holly spazieren, immer den gleichen Weg. Und allmählich begann die Natur ihr Herz zu heilen. Es wurde Frühling und das Leben erblühte überall. Und in solchen Momenten wusste sie, das Leben würde weitergehen und eines Tages würde alles wieder gut sein. „Die Engel des Morgens müssen für mich da gewesen sein“, sagt sie.
Die Engel des Morgens sind immer da, für uns alle. Wenn wir am Morgen unser Herz öffnen, werden wir immer voller Zuversicht, voller Mut und Hoffnung sein. Unsere Gedanken sind dann klar und rein wie die Morgenluft, noch unberührt von den kommenden Alltäglichkeiten. Eine alte Volksweisheit sagt: „Der frühe Vogel fängt den Wurm“. Es ist wahr. Sie werden feststellen, dass Sie am Morgen die besten Einfälle und Eingebungen haben werden. Sie finden Antworten auf Fragen, die sie nachts nicht schlafen ließen. Sie stellen fest, wie magisch plötzlich Ihr Kopf ist.
Ein „Morgenmensch“ zu sein, heißt auch, für immer jung zu bleiben. Das gilt ganz besonders, wenn man sich im fortgeschrittenen Alter schon im sogenannten „Lebensabend“ wähnt. Herz, Geist und Seele den Engeln des Morgens anzuvertrauen, heißt, immer im Aufbruch zu sein, immer auf dem Weg zu neuen Ufern. Ganz gleich, wie alt man ist.
Ich saß kürzlich an einem frühen Morgen im Zug auf den Weg zu einem Termin in London. Die Sonne ging in diesem Moment am Himmel auf und die Farben rundherum waren wundervoll. Die Leute um mich herum telefonierten und klebten an ihren Laptops.  Am liebsten hätte ich gerufen: „Hört für einen Moment auf zu arbeiten und schaut euch den wunderschönen Sonnenaufgang an“. Ein paar Augenblicke dieser Schönheit hätte zwar nicht ihre Laptops, aber ihre Herzen mit guten Gefühlen aufgeladen.
Wir sind am Beginn des Frühlings, mit seiner Hoffnung und seinem Versprechen auf ein neues Leben. Schauen wir an jedem Frühlingsmorgen mit den klaren Augen unseres Herzens nach draußen. Mit Hilfe der Engel werden auch wir blühen, wachsen und gedeihen.
Glennyce Eckersley

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