Sehr oft tun wir uns schwer mit dem Lob. Es zu verteilen, aber genauso es zu empfangen. Es verunsichert uns meistens, macht uns verlegen und wir empfinden dadurch einen enormen Leistungsdruck. „Nicht geschimpft ist genug gelobt“, meinen manche gefühlskarge Menschen. Loben ist freilich nicht mit Schmeichelei zu verwechseln.
Nur wer lobt, lebt wirklich
Das deutsche Wort „loben“ hat die gleiche Wurzel wie „glauben“ und „lieben“: liob: gut. Loben heißt daher, Gutes sagen von einem Menschen, über einen Menschen, zu einem Menschen. Der Alttestamentler Klaus Westermann spricht einmal über das Lob Gottes und beschreibt dabei den Unterschied zwischen Loben und Danken. Beim Danken sagen wir: „Ich danke dir“. Beim Loben steht der Gelobte als Subjekt im Mittelpunkt: „Du hast das gut gemacht.“ „Du bist schön.“ „Du hast eine gute Ausstrahlung.“ Im Loben sehe ich von mir selbst ab. Ich schaue ganz auf den anderen. Für die Israeliten war leben, Gott lieben und Gott loben miteinander aufs Engste verbunden. Nur der Lebende lobt. Und nur der Lobende lebt wirklich. Worte schaffen Wirklichkeit und Lob ist letztlich Liebe in Worten ausgedrückt. Indem ich das Gute benenne, wird es stärker.
Loben ist zweckfrei
Loben prägt auch die Qualität des Zusammenlebens. Denn Loben tut auch uns gut. Bei Führungsseminaren wird oft vermittelt, dass der Chef seine Mitarbeiter loben soll. Häufig wird das Lob dann zur Methode verzweckt. Dann merken die Mitarbeiter: Der Chef war wieder auf Seminar. Jetzt lobt er mal wieder zwei Wochen lang. Doch das angelernte Lob wirkt nicht. Denn wenn ich den anderen wirklich lobe, schaue ich nicht auf mich und auf die Wirkung, die ich mit dem Loben erzielen möchte. Loben ist zweckfrei. Beim Loben bin ich ganz beim anderen. Ich spreche das aus, was ich bei ihm sehe. Und Lob wirkt auch nur, wenn es der Wirklichkeit entspricht.
Dank und Freude
Viele genieren sich, wenn sie gelobt werden. Sie sagen: „Das ist doch nichts Besonderes.“ Oder: „Ich koch auch nur mit Wasser. Das ist doch nicht der Rede wert.“ Manch einer tut so bescheiden, um noch mehr gelobt zu werden. Bei manchen ist es aber Ausdruck ihrer Unsicherheit. Sie sind es nicht gewohnt, gelobt zu werden. Aber mit ihrer Abwehr des Lobes verunsichern sie den Lobenden. Er hat bald keine Lust mehr zu loben. Angemessener wäre, mit einem „Danke, das freut mich“ zu antworten. Wenn ich mich für ein Lob bedanke, kann ich es genießen. Allerdings braucht das Genießen immer beides: die Freude und das Relativieren. Das Lob hebt eine gute Seite an mir ans Licht. Und über diese gute Seite soll ich mich freuen und dankbar sein. Aber zugleich weiß ich, dass ich dieser Mensch bin, der auch seine Fehler und Schwächen hat. Wenn ich beides zulasse, das Lob und die eigene Begrenztheit, dann sehe ich mich realistisch. Wenn ich das Lob abwehre, nehme ich mich selbst nicht an mit alle den guten Gaben, die Gott mir geschenkt hat. Wenn ich das Lob hingegen annehme, dann nehme ich auch mich selbst an und genieße dankbar all die Geschenke, die Gott in meine Hände gelegt hat. Und ich erfreue auch den, der mich lobt.
Pater Anselm Grün, geb. 1945, Mönch der Benediktinerabtei Münsterschwarzach, geistlicher Begleiter und Kursleiter in Meditation, Fasten, Kontemplation und tiefenpsychologischer Auslegung von Träumen. Seine Bücher zu Spiritualität und Lebenskunst sind weltweite Bestseller – in über 30 Sprachen. Sein einfachleben- Brief begeistert monatlich zahlreiche Leser (www.einfachlebenbrief.de).