Wenn wir auf unsere bisher gelebten Beziehungen zurückblicken, sehen wir oft nur das Ende, die Verletzungen und betrachten diese Partnerschaften dann als gescheitert. Wir haben das Gefühl es nicht geschafft zu haben. Was immer dieses „Es“ auch sein mag. Wir trauern dann gerne um eine verlorene Zeit. Ist sie wirklich verloren?
Alle bisherigen Partnerschaften in unserem Leben hatten einen tieferen Sinn. Wir sind an ihnen gewachsen. Manchmal wachsen wir auch aus Beziehungen heraus. Das zeigt dann, dass wir eine Entwicklung gemacht haben und weitergehen wollen, um neue, andere Erfahrungen zu machen und erneut weiter wachsen zu können. Manche Partnerschaften jedoch hindern uns am Weiterwachsen. Nicht nur weil der Partner die Entwicklung vielleicht nicht mitmachen möchte, sondern auch, weil wir nun womöglich andere Erfahrungen benötigen, um unsere Persönlichkeit weiter zu entfalten.
Aus diesem Grund haben wir auch unsere allererste Partnerschaft verlassen. Die mit unseren Eltern. War diese Zeit auch vertane Zeit? Haben wir hier auch das Gefühl „es“ nicht geschafft zu haben? Wohl eher nicht.
Das liegt natürlich daran, dass unsere Kultur dies für völlig normal hält. Irgendwann entwachsen wir unseren Eltern, wir werden groß und wollen neue, andere Erfahrungen machen. Da unsere Umwelt dies sogar als Maßstab des Erwachsenwerdens vorgibt, empfinden wir dies als völlig normalen Abnabelungsprozess. Wir entwachsen diesem, nun zu eng gesteckten, Rahmen.
Warum betrachten wir eine Paarbeziehung nicht gleichermaßen? Überkommene Moralvorstellung prägen noch heute das Bild einer idealen Beziehung. Immer noch halten viele eine Partnerschaft nur dann für gelungen, wenn sie für immer und ewig hält. Wenn es glückt, ist es gut. Wenn nicht, muss es kein Unglück sein. In den meisten Fällen bleibt die Immer-und-Ewig-Liebe eine schöne Illusion, die am Leben vorbei zielt und deshalb prompt scheitert. Statt Illusionen nachzuhängen sollte uns klar sein: Jede Partnerschaft hält andere Aufgaben für uns bereit, andere Erfahrungen, andere Prüfungen, andere Glanzstücke.
Wir wachsen von Liebe zu Liebe. Von Liebe zu Liebe werden wir beziehungsfähiger. Wir werden auch liebesfähiger und befreien uns von alten Mustern. Wir lernen mit den Vor- und Nachteilen von Treue umzugehen. Wir lernen, wie es ist, Opfer und Täter zu sein. Wir erfassen, was Eifersucht für Gefühle auslösen kann. Wir erfahren, was Hingabe bedeutet, Pflicht und Leidenschaft. Wir erleben Machtspiele, Liebesentzug, Gier und Verlustangst. Wir machen Kontakt mit unserer Wut, Ohnmacht und Trauer. Mit Intimität, Nähe und Geborgenheit. Mit Geheimnissen, Verrat und Verantwortung.
Wir lernen Dinge zu verschweigen, wo reden besser gewesen wäre. Wir lernen Dinge zu sagen, wo schweigen besser gewesen wäre. Wir lernen mit tausend verschiedenen Momenten umzugehen und lernen uns dabei auch in den eigenen Tiefen kennen. Vieles davon mögen wir nicht. Und vieles von dem, wie wir selbst in einer Partnerschaft sind, mögen wir vielleicht sogar am allerwenigsten.
Wir lernen alles über uns in Partnerschaften. Wir erfahren, wer wir sind und was unsere Schattenseiten sind.
Den ganzen Artikel können Sie im ENGELmagazin Mai/ Juni 2021 lesen.
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